Es ist verrückt was jetzt grad alles abgeht
Wie viele andere Sportklubs ist auch Pfadi Winterthur Mitte März abrupt von der Bildfläche verschwunden. Es dominieren vorerst andere Themen den Alltag in der Region. Ausruhen aber tun sich die Handballer deswegen nicht. Die Sportler absolvieren nach ihrem Zwangsurlaub individuelle Trainingsprogramme. Im Vereinsvorstand und auf der Geschäftsstelle wird gearbeitet, zumeist aus dem Home-Office. Wir haben uns mit Geschäftsführer Markus Jud unterhalten, welche Arbeiten denn in der doch etwas skurrilen Abnormalität erledigt werden und darüber, welche noch anstehen. Und wir wollten wissen, wo der Schuh derzeit am meisten drückt.
Markus Jud, wie sieht der Arbeits-Alltag eines Geschäftsführers aus, welchem man den Rundumstress mit den Playoffs quasi weggenommen hat, was verändern diese Ereignisse, auch persönlich?
Man wird von einem Tag auf den anderen einsam. Statt die vielen Spiele zu organisieren, sitzt man im eigenen Büro und versucht, Anlaufstelle für alle zu sein. Der persönliche Kontakt fällt weg, es wird nur noch via Mails oder Telefon kommuniziert.
Im Vordergrund stehen natürlich die vielen Eingaben an Bund, Kanton, Gemeinde etc. um die Existenz des Vereins zu sichern, was sehr nervenaufreibend ist. Stündlich erreichen uns Neuigkeiten über den Virus und seinen Folgen. Man muss sehr schnell reagieren und sehr flexibel sein, damit das Überleben des Vereins irgendwie gesichert werden kann. Das nimmt einem natürlich auch mental 24 Stunden in „Gewahrsam“.
Die Saison 2019-20 wurde für alle Ligen komplett gestoppt und wird nicht gewertet. Was für Einbussen hat das bisher für den Verein zur Folge, sportlich und finanziell?
Die fehlenden Einnahmen aus den bevorstehenden Play-off-Spielen sind enorm, nicht nur finanziell, sondern auch emotional. In diesen wichtigsten Spielen der Saison werden auch am meisten Umsätze getätigt. Wir werden netto ca. Fr. 150‘000 verlieren. Auch Sponsoren sind mit ihren Events an diesen entscheidenden Spielen jeweils stark vertreten, auch das wird wegfallen.
Die Playoffs, der wichtigste Teil der Meisterschaft, konnte nicht stattfinden. Wie kommt der Verein Mitgliedern, Sponsoren und Saisonkarteninhabern entgegen? Liegt ein Entgegenkommen überhaupt drin, auf dem Schaden bleibt man ja selber sitzen? Wurden schon Ansprüche gestellt, wenn ja welche?
Ich hatte mit vielen Sponsoren einen telefonischen Kontakt, bei keinem Gespräch wurde ein Anspruch gestellt. Was aber nicht bedeutet, dass er noch kommen wird. Ich denke, dass sich viele Sponsorenverantwortliche Gedanken machen werden, ob und in welchem Umfang sie sich noch Sponsoring leisten können.
Aktuell machen wir uns Gedanken, wie wir all dem in vernünftiger Weise gerecht werden können und niemanden enttäuschen müssen. Und wie wir bei allfälligen Forderungen reagieren werden.
Du hast es schon angedeutet. Es könnte finanzielle Hilfen von aussen geben? Der Bund beispielsweise hat dutzende Millionen gesprochen, für den Spitzen- und den Breitensport. Kanton Zürich und Stadt Winterthur unterstützen gewisse Anspruchsgruppen ebenfalls. Wie läuft das ab?
Ja das ist richtig, auf allen Ebenen werden Unterstützungshilfen angeboten, was sehr schön ist. Wir haben intensiv an diesen Gesuchen gearbeitet und alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Die diversen Anträge sind eingereicht. Es versteht sich aber von selbst, dass Antworten noch ausstehen.
Wichtig war für uns, dass wir unsere Spieler und Trainer für die Kurzarbeit anmelden konnten und von dort einen positiven Bescheid erhalten haben. Ohne diesen Zuspruch wäre es wohl für uns sehr schwierig geworden, überhaupt noch in eine weitere Saison gehen zu können.
Sprechen wir über die Zukunft. Es gibt ja Fachleute, welche sich jetzt schon in dem Sinne äussern, dass grössere Veranstaltungen erst irgendwann im nächsten Jahr wieder stattfinden werden. Das wären wohl keine guten Perspektiven?
Das würde für die Sport- und Kulturbranche das Aus für viele Vereine/Institutionen bedeuten. Ich möchte dieses Szenario noch nicht durchspielen wollen und bin da sehr optimistisch, dass wir spätestens im Herbst mit der Saison wieder beginnen können.
Ihr plant demnach weiter. Wo stehen diesbezüglich derzeit die grössten Hürden?
Die grösste Hürde ist, ein realistisches Budget erstellen zu können. Das ist in etwa so, wie wenn ich in eine Kristallkugel schauen würde oder ich mich als Hellseher darstelle. Auch die Liquidität ist ein grosses Thema, welches durch die Anträge der Hilfsgelder aufgefangen werden könnte.
Bei Pfadi hat einer der grösseren Sponsoren sein Engagement wegen Neuausrichtung beendet, ein zweiter hat den Betrag reduziert. Können diese Beiden kompensiert werden? Oder anders gefragt, fehlt noch ein Betrag für ein ausgeglichenes Budget, kann eine Aussage über dessen Höhe gemacht werden.
Beide Entscheide wurden bereits vor Ausbruch des Covit-19 gefällt, was uns natürlich sehr schmerzte und nach dieser Krise noch mehr wehtun wird. Wir sind mit Hochdruck daran, um diese Ausfälle kompensieren zu können. Nur der Virus verunmöglicht das beinahe. Solch wichtige Kontakte über Telefonate abzuwickeln ist sehr, sehr schwierig und ehrlich gesagt, ist der jetzige Zeitpunkt auch nicht der Richtige, um über Sponsoring zu reden. Die Verantwortlichen Personen haben jetzt ganz andere Problem zu lösen.
Neue Einnahmequellen generieren sind das Eine, wurden auf der Gegenseite auch Einsparungen vorgenommen? In welchen Bereichen? Was haben diese zur Folge?
Durch die finanzielle Situation, die uns schon vor einem Jahr so richtig durchgeschüttelt hat, sind wir täglich daran, an der Kostenschraube zu drehen. Was wir uns einig sind ist, dass wir weiterhin ein Team in der NLA stellen, welches um Titel spielen kann. Wenn wir diesen Kurs verlassen, werden uns auch vermehrt Supporter verlassen. Es entstünde eine Negativspirale, die zöge uns nach unten. Hohe Ziele sind wie Triebfedern, eine Aufgabe vorzüglich zu leisten.
Der Verein ist breit und insgesamt auf gutem Niveau aufgestellt. Ein NLA-Team mit regelmässigen Spitzenklassierungen, die Espoirs in der NLB als exzellentes Fördergefäss, eine im landesweiten Vergleich äusserst starke Nachwuchsabteilung, das Engagement für den Breitensport. Ist man denn bezüglich Spitzensport im nationalen Vergleich finanziell überhaupt noch konkurrenzfähig, es wurde ja zuletzt vor allem auch gespart?
Unsere Trainer verrichten da auf allen Stufen hervorragende Arbeit. Sie verstehen es, mit bescheidenen Mitteln das Optimum herauszuholen. In der NLA gehören wir finanziell schon seit letzter Saison nicht mehr zu den Topteams. Im Nachwuchsbereich sind wir dank den diversen Gönnervereinigungen sehr gut aufgestellt.
Was wird sich nach Durchzug dieses Pandemie-Sturms für den Sport ändern? Mit welchen Herausforderungen wird der Verein unmittelbar danach und auf einen mittleren Zeithorizont gesehen konfrontiert sein.
Genau in dieser Krise lernen die Leute wieder schätzen, wie wichtig der Sport und seine Emotionen für die Lebensqualität ist und welch wichtiger Part er im Gesellschaftsleben darstellt. Ich erhoffe mir daraus eine wachsende Solidarität zum regionalen Produkt, zu welchem ich auch uns zähle. Wir müssen uns in der jetzigen Situation gegenseitig unterstützen und helfen lernen, das wird uns nach der Krise enorm weiterbringen, sofern wir es nicht schnell wieder vergessen.
Pfadi Winterthur stand zu Beginn des letzten Jahres vor dem finanziellen Ruin. Wo steht der Verein heute auf einer Skala von schlecht 0 bis 10 sehr gut, mitten in dieser weltweiten Krise? Gibt es dafür eine Begründung?
Dank der riesigen Solidaritätswelle um unsere Rettungsaktion vor einem Jahr konnten wir die letzte Saison gut beenden und die jetzt abgebrochene angehen. Dass jetzt eine derart wuchtige, neue Katastrophe auf uns zugekommen ist, ist bedauerlich und setzt uns natürlich wieder auf Feld 1 zurück. Aber genau diese Solidarität welche uns letztes Jahr zuteil gekommen ist, lässt uns hoffen und ist unsere Energiequelle, wieder aufzustehen und weiterzumachen.
Noch etwas anderes. Auf Asta Vaskevicius folgt auf der Geschäftsstelle – wiederum mit einem Teilzeitpensum – der bisherige NLA-Torhüter Matias Schulz. Was werden dessen Aufgaben sein?
Zuerst gilt es, Mati in die bestehenden Prozesse einzuarbeiten, damit er alle Aufgaben übernehmen kann. Mit der Zeit möchten wir ihn auch vermehrt in den Spielbetrieb und das Marketing miteinbeziehen. Asta hat über viele Jahre hervorragende Arbeit geleistet, die wir ihr ganz herzlich verdanken.
Zuletzt noch dies: Es stehen drei Wünsche zuoberst auf der Liste des Geschäftsführers, dürfen wir wissen welche das sind?
Natürlich gute Gesundheit ; Dass wir schnell aus der Krise kommen, auch daraus lernen werden; endlich wieder mal Langeweile erleben.
Markus Jud, danke für diesen Einblick ins Innenleben des Vereins und die Tätigkeiten auf der Geschäftsstelle.